Wenns mal etwas drückt
- Gerald Schneider
- 2. Jan. 2022
- 2 Min. Lesezeit
Kurioses widerfährt einem ja gerne mal, wenn man sich irgendwo in der Welt rumtreibt. Andere Kulturen, andere Sitten, andere Sprachen. Zu Hause kennt man sich aus, kann unpassenden Situationen aus dem Weg gehen. Aber das klappt nicht immer.
Mit meinem schwarzen Fiesta bin ich in Regensburg unterwegs. Dort lebte ich damals. Eine der schönsten Städte mit viel Flair und einer Altstadt zum Niederknien. Damit habe ich an diesem Tag allerdings nichts im Sinn. Erledigungen stehen an, dort wo Supermärkte und Baumärkte auf Kunden warten.
Eine Ampel, nicht allzu weit vom Hauptbahnhof an einer Ausfallstraße, steht auf rot. Ich stehe so da, gucke durch die Gegend und denke an nicht viel. Plötzlich reißt jemand die Beifahrertür auf. “Servus” und er setzt sich neben mich. “Servus” sage auch ich etwas verdutzt. Aber um sauer zu sein oder panisch um mich zu schlagen, bin ich zu verblüfft. Außerdem ist es hellichter Tag und das freundliche “Servus” macht nicht den Eindruck dass sich da einer auf Jack-the-Rippers Spuren neben mich gesetzt hat.
Er wolle jetzt “zu den Weibern”, “weisst schon”. Aha, zu “den Weibern”. Ich mag etwas naiv sein, aber ich glaube zu verstehen. Ich wisse doch, wo die zu finden seien. Nun, das weiß ich nur so ungefähr, weil es für mich in einem Leben bisher (und seither) keine Rolle spielte und spielt. Die käufliche Liebe ist nicht mein Ding. Weniger wegen moralischer Bedenken - es ist einfach nicht meins. Aber seis drum. Eine Vorstellung, wo das was er suchte zu finden ist, habe ich. Das war aber ganz woanders als das Ziel das ich hatte.
Zehn Euro bietet er mir für die Fahrt an. Ich lehne dankend ab und frage mich, warum er sich davon kein Taxi leistet. Aber auch egal. Er sei auf Montage, habe jetzt Geld bekommen und wolle das, fern der Heimat, feiern - “mit den Weibern”. Ein grundsätzlich lobholdes Ansinnen.
In Regensburg gibt es im damaligen Kasernenviertel einen Strich und ein Laufhaus. Ob da um diese Zeitv schon der Kundenverkehr läuft, weiß ich nicht. Es gibt aber, etwas mehr in Innenstadtnähe, damals noch das “Palais d’Amour” - eine feste Landmarke, die jeder kennt. Inzwischen ist dort kein Puff mehr, sondern ein Wettbüro. Und es liegt auf dem Weg zu meinem Ziel. Dort will ich ihn hinbringen. Das ist nicht ganz das, was er sich vorstellt, aber ok, passt schon. Die Fahrt dauert nicht lang. Gegenüber dem “Palais d’Amour” halte ich an, er steigt anstandslos aus, bedankt sich und geht seiner Wege - wohin auch immer diese ihn noch geführt haben mögen.
Einige Wochen (oder waren es Monate?) später sehe ich ihn wieder. Er erkennt mich nicht, will auch nichts von mir sondern redet auf irgendjemanden ein. Ob es ein Bekannter, Kollege, Freund oder jemand war, der wieder “zu den Weibern” bringen soll, weiss ich nicht. Seine Montage jedenfalls dauert schon um einiges länger als er mir gesagt hatte.
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