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Wenn alles zusammenpasst

  • Autorenbild: Gerald Schneider
    Gerald Schneider
  • 23. Jan. 2022
  • 3 Min. Lesezeit

König Ludwig II., Neuschwanstein, Steinhäger, Bayern und Brasilien. Das alles hängt zusammen. Enger als man im ersten Moment glauben mag. Sehr eng sogar.

König Ludwig II. ist wohl einer der bekanntesten Bayern. Der Märchenkönig, seine Visionen, Träumereien und Spinnereien, die Tragik seines Lebens - all das fasziniert bis heute - weit über den Freistaat hinaus. Seine Schlösser sind Touristenmagnete, allen voran Neuschwanstein. Keine amerikanische oder asiatische Reisegruppe kann einen Europareise absolvieren, ohne das Schloss zu besuchen. Wie würden wohl die diversen Schlösser in Walt-Disney-Filmen ohne das Vorbild Neuschwanstein aussehen?

Einer der bedeutenden Ludwig-II-Experten lebt in Regensburg. Er ist gleichwohl kein Bayer, sondern Nordrheinwestfale, Rheinländer. Dennoch ist er fasziniert von dieser schillernden Persönlichkeit, schreibt Bücher über ihn, hält Vorträge und gibt Schlossführungen. Sein Wohnzimmer gleicht einem Ludwig-II-Museum. Das ist keine Spinnerei oder Groupie-Gehabe. Er meint es ernst und ist in der Forschungsgemeinde eine Nummer.

Ob er Steinhäger mag, weiß ich gar nicht. Aber die Spirituose ist auch in Brasilien bekannt. Eigentlich heißt das hochprozentige Nationalgetränk, mit dem sich zum Beispiel Caipirinhas anrühren lassen, Cachaca. Ein Zuckerrohrschnaps, ähnlich wie Rum. Es gibt ihn in allen möglichen Varianten und mit allerlei Aromen - von Kaffee und Banane bis Pfeffer und Acerola - in weiß und gold.

Steinhäger dagegen ist was ganz anderes. Der Wacholderschnaps wird meist in braune Steinzeugflaschen abgefüllt. Mit Rum, Zuckerrohr und Samba hat er nichts zu tun. Europäische Einwanderer haben ihn und das Rezept dazu mit nach Südamerika gebracht. Mehrere Brennereien in Brasilien stellen Steinhäger her. Manche Brasilianer verbringen artistische Übungen, wenn sie versuchen das Wort auszusprechen. Vor allem Umlaute sind so eine Sache. Aber es muss sich lohnen.

Und was hat das alles jetzt mit Ludwig II. zu tun? Das ist erklärungsbedürftig: Eine brasilianische Steinhäger-Brennerei hat sich auf das europäische Erbe des Gesöffs besonnen und eine Kollektion mit weißen Porzellanflaschen herausgebracht, die europäische Gebäude zeigen. Was heißt europäische; es sind bayerische. Eine Flasche ziert das Stadttor von Rothenburg ob der Tauber eine weitere die historische Altstadt der mittelfränkischen Stadt Dinkelsbühl und eine: Schloss Neuschwanstein.

Davon hatte auch unser in Bayern lebender nordrhein-westfälischer Ludwig II.-Experte Wind bekommen. “Ihr seid doch ab und zu mal in Brasilien”, leitet er etwas umständliche seine Bitte ein. Da gäbe es eine Steinhäger-Brennerei, die eine Sonderedition herausgebracht habe und auf einer Flasche sei Neuschwanstein abgebildet. Also wenn wir mal wieder in Brasilien sein sollten und wir an ihn dächten und es irgendwie möglich sein würde, dann wäre es für ihn eine große Freude, wenn wir … Ja, schon klar. Unsere Planungen für eine neue Reise in den Süden steht in der Tat an. Doch dann kommt alles anders. Corona macht viele Reiseträume zu Nichte. Drei Jahre sind wir insgesamt nicht dort hin gefahren. Viel zu lang. Die Neuschwanstein-Steinhäger-Flasche habe ich schon fast wieder vergessen. Bis wir uns wieder in Richtung Brasilien auf den Weg machen. Bei einer Einladung bei Freunden fällt mein Blick auf die Hausbar. Und was steht da? Eine Porzella-Steinhäger-Flasche mit Neuschwanstein vorne drauf. Da war doch was! Und, zugegeben, obwohl ich die Befürchtung hatte, das Ding könnte etwas kitschig aussehen, die Flasche hat was.

Nur wo bekommt man so etwas her? Die Sonderaktion der Brennerei ist soweit ich weiß schon vorbei. Und obwohl Steinhäger in Brasilien bekannt ist, findet man so etwas auch nicht an jeder Ecke. Ich frage eine brasilianische Freundin ob sie eine Idee hat. Sie kennt alles und jeden. Vielleicht weiss sie ja, wo man sowas auf die Schnelle herbekommen kann. Hat sie nicht, aber bevor ichs mich versehe hat sie das Teil im Internet gefunden und fluchs bestellt. Ein paar Tage später ist es da. Bei einer gemeinsamen Feier drückt sie mir das gut verpackte Stück in die Hand.

Neben einem schicken Design hat sie vor allem Gewicht. Außerdem ist der Zoll unsäglich kleinlich und erlaubt fast nichts, was 40 Prozent und mehr hat. Ein bisschen Cachaca für uns selbst wollen wir auch mitbringen. Und ausgerechnet Steinhäger von Brasilien nach Deutschland einzuführen hat im Grunde auch wenig Sinn. Ich erinnere mich jedoch noch an die Worte des in Bayern lebenden nordrhein-westfälischen Ludwig-II-Fans. Ihm gehe es vor allem um die Flasche. Der Inhalt wäre nicht so wichtig. Und so muss die Schwester meiner Frau nun sehen, was sie mit einem Liter Steinhäger anfangen will.

Zurück in Deutschland geht die leere Flasche in die Post. Rund um Weihnachten kommt sie an. Der in Bayern lebender nordrhein-westfälischer Ludwig II.-Experte ist super happy. Dass der Inhalt fehlt, ficht ihn nicht weiter an. Und seither steht eine brasilianische Steinhäger-Flasche mit dem Schloss Neuschwanstein in der Ludwig-II-Sammlung im bayerischen Wohnzimmer eines Rheinländers.


 
 
 

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